Umschlag: Graphik & Gestaltung - Matthias Matti Linde
Vorwort
von Ingolf Hoppmann
Der traditionelle Arbeiter- und Künstlerkiez Prenzlauer Berg blüht nach dem Fall der Mauer auf. Rund um den Kollwitzplatz entsteht eine Kunst- und Kulturszene, die im Nachkriegsdeutschland ihresgleichen sucht und die vergleichbar ist mit der am Montmartre in Paris nach dem zweiten Weltkrieg. Heute, 14 Jahre später, lebt kaum noch ein Künstler am Kollwitzplatz. Mit der Schließung des Café Lampion im Mai dieses Jahres ist diese Szene abgewickelt. Unwiderruflich. "Aber wo sind denn - bitte, die Künstler?" fragt so mancher Tourist heute noch am Montmartre. Dabei sind sie eigentlich kaum zu übersehen. Sie stehen einander förmlich auf den Füßen - die Herren Porträtisten mit ihren Staffeleien - und produzieren hübsche Konterfeis en gros, dabei schnell und nicht teuer. Am Berliner Kollwitzplatz trifft man hie und da noch vereinzelt Restaurant- bzw. Kneipendichter, die kulturhungrige Touristen mit gefälligen Schnellgedichten auf Bestellung beliefern. Heute säumen schicke Trattorias und geleckte SchickiMicki Cafés den Platz und sorgen für hochpreisige Langeweile. Nicht zu vergessen Biomarkt und Fuku Sushi Bar. Die Künstler sind längst weitergezogen, und die Touristen auch. Der Kollwitzplatz ist mittlerweile "out".
Das „Ostwestlabor“ entstand im legendären Cafe Westphal, der ersten Kneipenneugründung nach dem Mauerfall. Dort haben sich die beiden Autoren kennengelernt - der eine aus dem Osten, der andere aus dem Westen. Die Idee zu gemeinsamer Arbeit formte sich nach und nach in nächtelangen Diskussionen - mal lebhaft fröhlich, mal hitzig wütend, mal zäh und unnachgiebig und ohne jedes Verständnis für den anderen, für diese seltsame, ferne, nur zwei kinderhandbreit Beton entfernte Welt. Vielleicht war der Anstoß ja nur der Ärger über dieses Nichtverstehen, das selber wiederum so unbegreiflich schien: wie kann das denn sein - man wohnte doch im selben Land, in derselben Stadt, ein paar Straßen voneinander entfernt, man sprach dieselbe Sprache. Oder etwa nicht?
Irgendetwas war da anders als bei jenen Streitereien, die man aus seinem bisherigen Leben gewohnt war. Irgendetwas Ungreifbares, etwas, an dem man gleichzeitig abprallte und das einen maßlos faszinierte. Die Sprache, die man ausgab, kam zurück und war eine ganz andere. Als würde dir dein eigenes Spiegelbild einen Vogel zeigen. Und das ging beiden so. Was war das? Wie sollte man dem beikommen? Man hätte natürlich einfach weggehen können, sich umdrehen und in die andere Richtung weiterreden. Aber dazu war keiner von den beiden bereit oder auch nur in der Lage. Sie hingen am Haken, jeder am Haken des anderen oder am eigenen, während sich die Leine um den anderen verwickelt hatte. Keiner konnte los (vielleicht auch nur, weil beide schon immer unverbesserliche Dickschädel waren). Also gut, sagte der eine, wenn du’s so haben willst, dann schreiben wir eben was zusammen. Schön, sagte der andere, wenn du’s sonst nicht kapieren willst, machen wir eben was. Daraus wurde als erstes das Drehbuch „Irrfahrt“ - wer wundert sich über den Titel?
Uwe Johnson, dieser eigenwillige Grenzgänger, sollte mit seiner eigenen Zerrissenheit beide Seelen kitten, die sich plötzlich irgendwie zerbrochen fühlten. Oder nein, lassen wir die Seele da, wo sie hingehört (ein jeder, wissen wir ja wohl durch Vermittlung von Wilhelm Busch, trägt die seine in der Lunge)! Man gab einer Frage die Gestalt Uwe Johnsons: Ist da, wo man zu sein glaubt, schon jemand anderes? Diese Frage zog das zweite Projekt logisch nach sich: "Die Anstalt zieht um“ - ein, wie sollte es anders sein - tragikomisches Hörspiel. (Das Hörspiel übrigens könnte ein wesentliches deutsch- deutsches Medium sein - wie es Wolfgang Hilbig so unglaublich poetisch versinnbildlicht hat: das Ohr an der Mauer, tief unten in der Welt des Maulwurfs: dahinter Geräusche, wer ist dort - ich?) Uns so ging es weiter: Wer ist deutsch? Wer verrückt? Und: Wer die verkrachte Existenz im Hause Schiller... Sind irgendwelche Fragen beantwortet?
Berlin, 9. November 2003
von Ingolf Hoppmann
Der traditionelle Arbeiter- und Künstlerkiez Prenzlauer Berg blüht nach dem Fall der Mauer auf. Rund um den Kollwitzplatz entsteht eine Kunst- und Kulturszene, die im Nachkriegsdeutschland ihresgleichen sucht und die vergleichbar ist mit der am Montmartre in Paris nach dem zweiten Weltkrieg. Heute, 14 Jahre später, lebt kaum noch ein Künstler am Kollwitzplatz. Mit der Schließung des Café Lampion im Mai dieses Jahres ist diese Szene abgewickelt. Unwiderruflich. "Aber wo sind denn - bitte, die Künstler?" fragt so mancher Tourist heute noch am Montmartre. Dabei sind sie eigentlich kaum zu übersehen. Sie stehen einander förmlich auf den Füßen - die Herren Porträtisten mit ihren Staffeleien - und produzieren hübsche Konterfeis en gros, dabei schnell und nicht teuer. Am Berliner Kollwitzplatz trifft man hie und da noch vereinzelt Restaurant- bzw. Kneipendichter, die kulturhungrige Touristen mit gefälligen Schnellgedichten auf Bestellung beliefern. Heute säumen schicke Trattorias und geleckte SchickiMicki Cafés den Platz und sorgen für hochpreisige Langeweile. Nicht zu vergessen Biomarkt und Fuku Sushi Bar. Die Künstler sind längst weitergezogen, und die Touristen auch. Der Kollwitzplatz ist mittlerweile "out".
Das „Ostwestlabor“ entstand im legendären Cafe Westphal, der ersten Kneipenneugründung nach dem Mauerfall. Dort haben sich die beiden Autoren kennengelernt - der eine aus dem Osten, der andere aus dem Westen. Die Idee zu gemeinsamer Arbeit formte sich nach und nach in nächtelangen Diskussionen - mal lebhaft fröhlich, mal hitzig wütend, mal zäh und unnachgiebig und ohne jedes Verständnis für den anderen, für diese seltsame, ferne, nur zwei kinderhandbreit Beton entfernte Welt. Vielleicht war der Anstoß ja nur der Ärger über dieses Nichtverstehen, das selber wiederum so unbegreiflich schien: wie kann das denn sein - man wohnte doch im selben Land, in derselben Stadt, ein paar Straßen voneinander entfernt, man sprach dieselbe Sprache. Oder etwa nicht?
Irgendetwas war da anders als bei jenen Streitereien, die man aus seinem bisherigen Leben gewohnt war. Irgendetwas Ungreifbares, etwas, an dem man gleichzeitig abprallte und das einen maßlos faszinierte. Die Sprache, die man ausgab, kam zurück und war eine ganz andere. Als würde dir dein eigenes Spiegelbild einen Vogel zeigen. Und das ging beiden so. Was war das? Wie sollte man dem beikommen? Man hätte natürlich einfach weggehen können, sich umdrehen und in die andere Richtung weiterreden. Aber dazu war keiner von den beiden bereit oder auch nur in der Lage. Sie hingen am Haken, jeder am Haken des anderen oder am eigenen, während sich die Leine um den anderen verwickelt hatte. Keiner konnte los (vielleicht auch nur, weil beide schon immer unverbesserliche Dickschädel waren). Also gut, sagte der eine, wenn du’s so haben willst, dann schreiben wir eben was zusammen. Schön, sagte der andere, wenn du’s sonst nicht kapieren willst, machen wir eben was. Daraus wurde als erstes das Drehbuch „Irrfahrt“ - wer wundert sich über den Titel?
Uwe Johnson, dieser eigenwillige Grenzgänger, sollte mit seiner eigenen Zerrissenheit beide Seelen kitten, die sich plötzlich irgendwie zerbrochen fühlten. Oder nein, lassen wir die Seele da, wo sie hingehört (ein jeder, wissen wir ja wohl durch Vermittlung von Wilhelm Busch, trägt die seine in der Lunge)! Man gab einer Frage die Gestalt Uwe Johnsons: Ist da, wo man zu sein glaubt, schon jemand anderes? Diese Frage zog das zweite Projekt logisch nach sich: "Die Anstalt zieht um“ - ein, wie sollte es anders sein - tragikomisches Hörspiel. (Das Hörspiel übrigens könnte ein wesentliches deutsch- deutsches Medium sein - wie es Wolfgang Hilbig so unglaublich poetisch versinnbildlicht hat: das Ohr an der Mauer, tief unten in der Welt des Maulwurfs: dahinter Geräusche, wer ist dort - ich?) Uns so ging es weiter: Wer ist deutsch? Wer verrückt? Und: Wer die verkrachte Existenz im Hause Schiller... Sind irgendwelche Fragen beantwortet?
Berlin, 9. November 2003
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Wie eine schartige, stumpf gewordene alte Machete liegt die grüne Insel Kuba in der Karibik. Die unzufriedenen, linken Intellektuellen aller Länder, traumversessen, stiegen gern mit ein in diesen Kampf...
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Schon in den ersten Tagen wurden drei Hotels in Havanna von der amerikanischen Kette Starwood übernommen. Und auch der greise Mick Jagger ist - als Bote der freien Welt - mit den Rolling Stones nach Havanna gereist, um ekstatisch über die Bühne zu hoppeln. Seine Botschaft: "I can get no satis- faction!" Na dann...
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